Echtzeitverkehrsdaten tun Not

Um die Probleme des zunehmenden Verkehrs in den Griff zu bekommen, müssen online flächenübergreifend Informationen zum Verkehrsaufkommen bereitgestellt werden.

Der motorisierte Individualverkehr nimmt stetig zu und stellt Städte und Gemeinden vor grosse Herausforderungen. Denn auf die Belastungen kann nicht mit einem beliebigen Ausbau der Strassen reagiert werden. Eine wichtige Rolle bei der Verkehrsplanung und -lenkung spielen seit Jahrzehnten Verkehrszählungen. Die aus dem Daten gewonnenen Erkenntnisse fliessen auch in die Raum-, Lärm und Umweltplanung mit ein. Allerdings werden hierfür vielfach noch veraltete Daten verwendet. Das gilt auch für viele computerbasierte Simulationsmodelle. Weil sie teilweise mit veralteten Informationen rechnen, erzeugen sie Resultate, die nicht mehr die Realität abbilden. Echtzeitdaten für die Verkehrslenkung sind deshalb unerlässlich. Sie stehen heute allerdings nur in bescheidenem Ausmass zur Verfügung. Verkehrsinformationen aus dem Internet wie solche von Google und anderen wiederum zeigen nur den aktuellen Stand an. Damit lassen sich bestenfalls Alternativrouten vorschlagen. Datenauswertungen für das Verkehrsmanagement oder die Verkehrsplanung oder gar eine gezielte Verkehrslenkung sind indes damit nicht möglich.

 

Teure permanente Verkehrszähler

Bund, Kantone und grössere Schweizer Städte betreiben zwar mittlerweile ein immer grösser werdendes Netz mit permanenten Verkehrszählern. Für die Verkehrsdatenerhebung  kommen aber meistens teure und unflexibel einsetzbare Systeme zum Einsatz. Viele Gemeinden und kleinere Städte verwenden deshalb auch Mietzähler, welche auf ausgewählten Strassenabschnitten über einen bestimmten Zeitraum hinweg mobil eingesetzt werden können. Gerade Gemeinden und Agglomerationen brauchen flexible und kostengünstige Lösungen, sind sie doch am stärksten von der Dynamik der Verkehrsflüsse betroffen. Denn Staus in Agglomerationen rund um grössere Städte treten teilweise dynamisch auf und sind deshalb nicht ohne weiteres mit den starren Bedingungen bei der Planung von Strassen in den Griff zu kriegen. Die benötigten Mietlösungen lassen allerdings heute keine Auswertungsmöglichkeiten mit historisierten Daten zu. Dies ist aktuell nur bei Dauerzählstellen mit konstanten Netzwerkverbindungen möglich. Projekte für permanente Verkehrszählsysteme sind aber teuer und schwerfällig, weil mit vielen Bauvorschriften und langen Projektzeiten verbunden. Ein Verkehrszählerservice, mit dem Daten von Mietzählern in die Cloud geliefert und mit Messerverläufen historisiert und aggregiert werden können, würde deshalb eine sinnvolle Ergänzung zu dem bestehenden Mietzählerangebot bieten.

 

Vorreiter Kanton Zürich

Doch lediglich eine flächendeckende Verkehrszählung erlaubt die Steuerung der Entwicklung der Mobilität der Zukunft. Dazu muss auch die permanente Verkehrszählung und Vernetzung der Informationen auf allen föderalen Ebenen vorangetrieben werden. Der Kanton Zürich hat hier mit seiner Verkehrsdatenplattform bereits Pionierarbeit geleistet. Mit der von Intersys entwickelten Lösung sammelt, prüft und speichert man Einzelfahrzeugdaten von rund 500 Lichtsignalanlagen und Verkehrsmessstellen auf Staatsstrassen. Damit sind täglich rund 6 Millionen Einzelfahrzeugdaten auf der Verkehr Online Plattform des Kanton Zürich in Echtzeit sowie in aggregiertem Format über frei bestimmbare Zeiträume verfügbar. Für die Bereitstellung von solchen Big-Data-Volumina benötigt es skalierbare und performante Technologien. Damit hat der Kanton Zürich immerhin schon einmal die Grundlage geschaffen, um Applikationen zur Optimierung des Strassenverkehrs zu entwickeln. Aggregierte Minutenwerte werden zudem der Open Data Plattform Mobilität Schweiz weiter gegeben und können dort von interessierten Kreisen zur weiteren Verarbeitung bezogen werden.

Case Study Kanton Zürich

 

Mannigfacher Nutzen

Wenn es gelingt, flächendeckend Daten strukturiert in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, werden auch Services entstehen, die zum Mehrwert der Gesellschaft beitragen. Verkehrsplaner könnten ihre Simulationen von digitalen Zwillingen von Strassenabschnitten optimieren. Baustellenmanager würden nicht erst nach Baubeginn die effektiven Auswirkungen auf den Verkehr erkennen. Aber auch Lärmverantwortliche, Tiefbauämter, Transportunternehmen hätten einen Mehrwert.

Der Bund hat dies bereits erkannt und plant mit  einer «Nationalen Dateninfrastruktur Mobilität» (NaDIM) verkehrsträgerübergreifende Daten von verschiedenen Mobilitäts- und Dienstleistungsunternehmen anzubieten. Denn um künftig im Internet oder mit einer App Dienste des öffentlichen Verkehrs, Auto-Sharing, Velos, Taxis und anderen zu kombinieren und zu bestellen, benötigt es Mobilitätsdaten in Echtzeit. Dasselbe gilt für die Verkehrslenkung. Sie würde verbessert, wenn Mobilitätsdaten online auf mehreren föderalen Ebenen miteinander verknüpft werden könnten. Autofahrer würden durch eine verbesserte Signalisation, Alternativrouten, Geschwindigkeits- und Staumanagement mehr profitieren als von Google Maps und Co. Und ÖV-Benutzer, die sich auf Strassen bewegen, könnten gegenüber den motorisierten Individualverkehr bevorteilt werden.

Nicht zuletzt profitieren Teilnehmer von Grossanlässen von Echtzeitmobilitätsdaten. Denn der Verkehr könnte schon umgelenkt werden, wenn Mehrverkehr an einem entfernten Punkt feststellbar ist. Bei der Verkehrslenkung rund um Grossanlässe dürfte in Zukunft auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz – auch mit Daten des ruhenden Verkehrs – eine wichtige Rolle spielen.

 

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